Orgelbauer historisch

Trost, Tobias Heinrich Gottfried

Tobias Heinrich Gottfried Trost gilt heute als der bedeutendste thüringische Orgelbauer zur Zeit von Johann Sebastian Bach. Zusammen mit dem nahezu gleichaltrigen, im benachbarten Sachsen tätigen Gottfried Silbermann schuf er herausragende Orgeln in Mitteldeutschland.

Die kunsthandwerklichen und musikalischen Wurzeln der Orgelbauerfamilie Trost sind in der Gegend von Halberstadt zu suchen. Die Trosts wurden in wesentlichem Maße von ihrem Stammvater, Johann Caspar Trost d.  Ä. (Lebensdaten unbekannt), geprägt, der als Halberstädter Organist, Musikpublizist und Musikgelehrter im Zusammenhang mit Andreas Werckmeister (1645 – 1706) von sich reden machte. Aber auch sein Sohn Johann Caspar Trost d. J. gilt im Kontext der von ihm veröffentlichten Schrift über die Orgel in der Augustusburg zu Weißenfels als eine der erwähnenswerten Persönlichkeiten. Er war der Bruder von dem Orgelbauer Johann Tobias Gottfried Trost.

Sowohl Johann Tobias Gottfried wie auch Tobias Heinrich Gottfried Trost (Vater und Sohn) verfolgten in ihrem Schaffen einen Stil, der sich orgeltechnischen und klanglichen Neuheiten gegenüber aufgeschlossen und insgesamt außerordentlich experimentierfreudig zeigte. Das Fundament für diese Stilrichtung legte der Orgelbauer Christian Förner (1609/10 – um 1678), dessen Erfindungen, z. B. die Windwaage, im 17. Jahrhundert Furore machten. Er war gleichzeitig der Lehrmeister von Johann Tobias Gottfried Trost, der an verschiedenen Orgeln Förners in Halle und Weißenfels als Geselle mitgearbeitet hat. Genaugenommen haben wir es hier mit einer traditionsträchtigen Entwicklungslinie des deutschen Orgelbaus zu tun, die von Förner über die Mitglieder der Familie Trost bis hin zu den Schülern von Tobias Heinrich Gottfried Trost reicht. Das waren Johann Jacob Graichen, Johann Nicolaus Ritter (beide später „Brandenburgisch-Culmbachische Orgelbauer“) und Johann Christian Immanuel Schweinefleisch (später Leipziger Uni­versitätsorgelbauer).
Johann Tobias Gottfried Trost wirkte nach seinem Weggang von Halberstadt als Orgelbauer in verschiedenen sächsischen Orten. Schließlich ließ er sich in Thüringen nieder.

Dort erhielt sein Sohn Tobias Heinrich Gottfried die Ausbildung als Orgelmacher. In seiner Lehrzeit verfolgte er sehr intensiv und aufmerksam sowohl die Konzeption seines Vaters wie auch die verschiedenartigen Stilelemente im thüringischen Orgelbau. Durch sein späteres Wirken in zwei unterschiedlichen Zentren (Gotha/Tonna und Altenburg) dürfte er unmittelbar das künstlerische Profil und die Arbeitsweise einer ganzen Reihe von Orgelbauern dieser Gegend kennengelernt haben.

Versehen mit einer fundamentalen Ausbildung und einem erheblichen Feingefühl für die musikalischen und orgelbaupraktischen Strömungen seiner Zeit gelang es Trost junior, in relativ kurzer Zeit, begünstigt durch die privilegierte Hoforgelbauer-Anstellung in Altenburg, durch die vom Vater übernommenen Rechte für die Ämter Tonna, Friedrichroda, Gotha und Tenneberg sowie durch seinen künstlerischen und fantasievollen Stil zum bedeutendsten Orgelbauer dieser Region aufzusteigen. Andererseits blieb mit dem Umzug seiner Werkstatt nach Altenburg sein Wirkungsfeld mit Ausnahme des Waltershäuser Orgelbaus auf Ostthüringen, also auf ein relativ kleines Gebiet, beschränkt.

Was stellte ihn in wesentlichem Maße über die Meister seiner Zeit und seines Territoriums? Der Komplex verschiedenartigster Qualitäten, die bei ihm aufeinander treffen, läßt sich wie folgt darstellen:

  1. Solide Anfertigung des technischen Apparates der Orgel
  2. Sensible, weiche und empfindsame Tongebung
  3. Prachtvolle äußere Gestaltung sowohl der Gehäuse und Prospekte als auch der Spielanlagen und diverser innerer Details
  4. Ausgefallene Register (Imitationsregister) und eine extravagante Bauausführung, die dem ästhetischen Ideal der Aufklärung entsprachen
  5. Universelle musikalische Einsatzmöglichkeiten (auch bei kleineren Werken) durch farbige Dispositionen und zusätzliche Transmissionsregister (Hauptwerk/Pedal)
  6. Verwendung von bewährten Mensuren, aber auch Vorstoß in klangliches Neuland mit extremen Maßen
  7. Übernahme von verschiedenen in Thüringen bekannten und bewährten Fertigungsmethoden


Im Vergleich zu den Orgelbauern seiner Zeit ist Tobias Heinrich Gottfried Trost sicherlich der phantasievollste, aber auch der sensibelste und künstlerischste gewesen, der seine Ideen weitab von starren Konzeptionen, ausgefahrenen Gleisen und routinierten Fertigungsweisen realisierte. Man kann ihn ohne Bedenken als empfindsamen Meister einstufen, dem es in wunderbarer Weise gelang, die Werkstoffe des Orgelbaus in einzigartiger Schönheit zu beseelen.

Die Trost-Orgeln, vor allem seine größeren Instrumente, verkörperten in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts den neuesten Stand des Orgelbaus. Daß sich Trost von seinen Zeitgenossen in Thüringen deutlich abhob, dürfte neben diesen Qualitätsparametern auch an dem zentralen Auftrag seines Lebens gelegen haben. Durch diesen Orgelbau in Altenburg, einem der beiden Zentren der politischen Macht, rückte sein Name nicht nur in den Blickpunkt des Lebens am Hofe, sondern in erster Linie in das kirchenmusikalische Geschehen seiner Zeit, und zwar auch über die Grenzen des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg hinaus. Nicht zuletzt weckte die Altenburger Orgel noch zu seinen Lebzeiten das Interesse von hochkarätigen Musikern, die außerhalb von Thüringen wirkten. Johann Sebastian Bach und Johann Adolph Scheibe seien hier an erster Stelle genannt.1

Trosts Produktivität hielt sich in engen Grenzen. Im Vergleich zu den etwa 50 Orgeln von Gottfried Silbermann stehen lediglich ca. 15 bis 20 neue Instrumente von Trost gegenüber.

Von einer prägnanten Nachwirkung seines Stils über den Tod hinaus, geschweige denn von einer Trostschule zu sprechen wäre übertrieben. Obwohl sein Orgelbaustil mit den modernsten musikalischen Charakteristika jener Zeit Hand in Hand ging, blieben seine Orgeln nicht von Umbauten im späten 19. Jahrhundert verschont. Trotzdem griffen die Orgelbauer des 19. Jahrhunderts gerne auf Details seiner Konzeption zurück. Seinen experimentierfreudigen Geist finden wir bei dem Weimarer Organisten und Orgeltheoretiker Johann Gottlob Töpfer (1791 – 1870) und bei den Orgelbau-Firmen Peternell und Schulze wieder. Besonders die Orgelbaufirma Schulze brachte zahlreiche Neuerungen im Sinne von Trost in den Orgelbau ein. Sie setzte mit dem Geist einer phantasievollen und progressiven Orgelbauwerkstatt den Weg der Trostschen Orgelkunst in Thüringen fort.

 

Anmerkung:

1    Friedrich, Felix: Johann Sebastian Bach und Altenburg. Altenburg 2000.

Sein Leben in der Übersicht

um 1679 – 81 Geburt; genaues Datum und Ort sind unbekannt; eventuell Halberstadt
Vater: Orgelbaumeister Johann Tobias Gottfried Trost (1651 – 1721)
Mutter: Anna Dorothea, geborene Thüm
1704 Heirat in Tonna am 3.11. mit Susanna Catharina Schweinefleisch, Tochter des Diakons Schweinefleisch
ab 1705 Erste selbständige Arbeiten (Goldbach, Aschara)
vor 1711 Ablegung der Meisterprüfung
1718 Umzug zu seinem Schwager Johann Christian Schweinefleisch, Pächter des Zapfischen Freigutes, nach Mockern bei Altenburg; Bewerbung um die Hoforgelbauer-Stelle in Altenburg
1721 Nach dem Tod des Vaters Erlangung der Rechte zur alleinigen Reparatur und Verfertigung von Orgeln in den Inspectionen Tenneberg und Friedrichroda
um 1722 Umzug von Mockern nach Altenburg; Reise nach Freiberg wegen der Unterzeichnung eines Kontraktes betreffs des Privilegienstreites zwischen Gottfried Silbermann und dessen Schüler Zacharias Hildebrandt
1723 Privilegienstreit mit Johann Jacob Donati um die Hoforgelbauer-Stelle in Altenburg; Gottfried Silbermanns Gutachten zugunsten von Trost. Ernennung zum privilegierten Hoforgelbauer
1733 – 35 Zunehmende finanzielle Schwierigkeiten; Anleihen bei seinem Schwiegersohn Hellborn und den Witwen Freund und Freier
1734 – 37 Privilegienstreit mit dem Orgelbauer Bartholomäus Heynemann aus Großlöbichau
1737 Erneute Begegnung mit Gottfried Silbermann in Altenburg während des Orgelbaues in der Schloßkirche. Gutachten Silbermanns über diese im Bau befindliche Orgel
1739 Besichtigung der Orgel in der Schloßkirche Altenburg durch Johann Sebastian Bach und Johann Adolph Scheibe
1741 Erwähnung als Mitglied des Hofbauamtes in Altenburg
1743 Reise nach Naumburg; Begutachtung der Thayßner-Orgel in der St. Wenzels­kirche und Kostenangebot für eine neue Orgel
1749 Tod der Ehefrau; Begräbnis in Altenburg
1754/55 Zunehmende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Verhandlungen der geheimen Kanzlei in Altenburg über die Nachfolge als Hoforgelbauer mit Christian Ernst Friderici (Gera) und Johann Michael Wagner (Schmiedefeld)
1756 Anwesenheit bei der Amtseinführung von Johann Ludwig Krebs als Hoforganist in Altenburg
1758/59 Letzte nachweisbare Arbeit (Reparatur und Stimmung seiner eigenen Orgel in Thonhausen)
1759 Tod nach dreimonatiger schwerer Krankheit; Begräbnis in Altenburg am 15. August

 

Sein Schaffen in der Übersicht

NB = Neubau
R = Reparatur
E = Entwurf
UB = Umbau
* = erhaltene Orgeln
# = teilweise bzw. stark verändert erhaltene Orgeln

 

Mitwirkung an Arbeiten des Vaters:

1697 – 1701 Langensalza (?), St. Stephani NB
1701 – 04 Tonna; zum Teil als selbständige Arbeit im Auftrag des Vaters NB
1701 – 04# Greußen, St. Martini NB
1705/06 Eckardtsleben; 1859 Abriß und NB durch Gustav Koch (Gotha) NB

 

Selbständige Arbeiten:

1705 Goldbach UB
1705 Aschara II/?; Orgel im 18. Jh. verbrannt NB
1710 – 13# Döllstädt II/P/20 NB
1712 Ohrdruf, St. Michaelis UB
1712 – 17* Großengottern II/P/22 NB
1719 Altkirchen R
1720 – 23 Großstöbnitz I/P/8;
1886 Abriß und NB durch Hermann Kopp (Bürgel)
NB
1721 Dobitschen R
1721 – 26

Ossa I/P/9; wegen Terminschwierigkeiten unvollendet;
1728 von Johann Jacob Donati fertiggestellt;
1892 Abriß und NB durch Richard Kreutzbach (Borna)

NB
1722 Aspach I/P/9; Trosts Neubau nicht eindeutig belegbar NB
1722 – 35* Waltershausen, Stadtkirche zur Gotteshilfe III/P/46;
Orgel von Trost nicht vollendet
NB
1723 Klosterlausnitz R
1723* Eisenberg, Schloßkapelle R
1728 Herbsleben E
1730 – 33 Kriebitzsch; 1898 Abriß und NB durch Ernst Poppe und Sohn (Roda/Altenburg) NB
1730 – 35# Stünzhain I/? NB
1730? Saalfeld, Schloßkapelle; Trosts Neubau nicht eindeutig belegbar NB
1731 – 33* Eisenberg, Schloßkapelle UB
1735 – 39* Altenburg, Schloßkirche II/P/37 NB
1735?# Altenburg, Schloßkirche Positiv NB
1739 Leesen R
1741 Hermsdorf b. Eisenberg E
1742 Schmölln, St. Nicolai R
1743 Naumburg, St. Wenzel E
1744 Zöpen I/P/11 E
1744 – 46# Thonhausen I/P/10 (?) NB
1745/46 Nobitz I/P/10 NB
1745 Markkleeberg I/P/10 E
1746 Bornshain Positiv I/6 E
1746* Bocka I/P/10; Trosts Autorschaft ungeklärt NB
1746/47 Altenburg, Brüderkirche UB
1747 Bornshain UB
1747 Ronneburg E
1747/48 Lohma an der Leina I/P/10; 1878 Abriß und NB durch Richard Kreutzbach (Borna) NB
1747 – 50# Saara I/P/15 NB
1747 – 52 Eisenberg, Stadtkirche St. Petri II/P/20; 1884 Abriß und NB durch Gebrüder Poppe (Roda) NB
1749 Altenburg, St. Bartholomäi R
1749* Altenburg, Schloßkirche R
1753 Lucka UB
1755 Treben R
1758/59# Thonhausen R

 

Klangbeispiele

Die Orgeln von Tobias Heinrich Gottfried Trost

von der CD:

Die Orgeln von Tobias Heinrich Gottfried Trost

Gesamtaufnahme aller noch erhaltenen Orgeln des barocken Thüringer Orgelbaumeisters Tobias Heinrich Gottfried Trost, des „Thüringischen Silbermann“

Hier erhältlich

JOHANN LUDWIG KREBS Track 1 Praeludium C-Dur Krebs-WV 401 (Großengottern/St. Walpurgiskirche)
JOHANN LUDWIG KREBS Track 2 Fantasia sopra Warum sollt ich mich denn grämen Krebs-WV 548 (Großengottern/St. Walpurgiskirche)
JOHANN LUDWIG KREBS Fantasia sopra Herr Jesu Christ, dich zu uns wend Krebs-WV 524 (Großengottern/St. Walpurgiskirche)

Eine Auswahl von Büchern und CDs  zu den Orgeln von Tobias Heinrich Gottfried Trost finden Sie im Shop der Verlagsgruppe Kamprad.

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