Orgelbauer aktuell

Jehmlich Orgelbau Dresden GmbH

Gründung

1808 in Neuwernsdorf

Leistungen

Neubau, Überholung, Restaurierung und Pflege von Orgeln

Unternehmensgeschichte

Geschichtlicher Abriss der sächsischen Orgelbaufirma Jehmlich

Am 16. Dezember 2008 konnte die Firma Jehmlich ihr 200jähriges Bestehen feiern. Alles begann für die Jehmlichs in Neuwernsdorf im Erzgebirge. Im vollständigen Staats- Post- und Zeitungslexikon von Sachsen, S.163 erschienen in Zwickau 1820, liest man in den Mitteilungen über Neu-Wernsdorf oder Neuwarnsdorf über die erste Generation der Orgelbauer Jehmlich: „ Uebrigens zeichne ich noch das oberste Haus im Dorf aus, nicht sowohl wegen seine Bauart im holländischen Geschmack, sondern als die Wohnung der Mechaniker und Orgelbaumeister, Gebrüder Gämlich, welche ein eminentes Talent auszeichnet. Sie liefern ohne eigentlichen Unterricht genossen zu haben, Flügel mit Flötenwerken in besonderer Güte, Instrumente und Maschinen von aller Art, und haben auch 1818 eine sehr gute Orgel in Lauenstein zu Stande gebracht…“.

Der Älteste, Gotthelf Friedrich, erlernte das Orgelbauerhandwerk bei Johann Georg Hamann (1758-1835) in Constappel bei Meißen. Johann Gotthold ging bei Johann Christian Kayser in Dresden in die Lehre, wo er bis 1806 mit seinem Bruder Gotthelf Friedrich als Geselle blieb. Johann Christian Kayser (1750-1830) war Neffe von Andreas Kayser (1699-1768), der vermutlich ein Schüler Silbermanns war.

Lust und Liebe zum Handwerklichen ließ die beiden im Dezember des Jahres 1808 den Entschluss fassen, sich in diesem Handwerk selbständig zu machen. Bereits 1806 hatten die Jehmlichs Reparaturen an der Adam Gottfried Oehme Orgel in ihrer Heimatkirche Cämmerswalde und an der Johann Georg Schön-Orgel in Clausnitz ausgeführt und waren dabei natürlich auch mit der Bauart dieser Orgeln der beiden Silbermannschüler vertraut geworden.

Der erste Orgelneubau war 1810 für die kath. Kirche zu Georgenthal in Böhmen. 1818 erhielt Gotthelf Friedrich den Auftrag zum Bau einer neuen Orgel in der Stadtkirche zu Lauenstein. Dieses Werk war die erste Jehmlich Orgel in Sachsen. 1825 wurde Gotthelf Friedrich Jehmlich zu einem großen Auftrag nach Dresden gerufen. Man übertrug ihm die Reparatur und den Umbau der Wagner Orgel in der Kreuzkirche. Diesen Auftrag anzunehmen war für ihn zugleich Anlass nach Dresden überzusiedeln. Leider starb er schon nach kurzer Zeit und sein Bruder Johann Gotthold vollendete das Orgelwerk 1832. Die solide Arbeit der Brüder fand große Anerkennung. Zahlreiche Protokolle und Gutachten aus dieser Zeit zeugen von der ausgezeichneten handwerklichen und künstlerischen Fähigkeit. 1836 ernannte man Johann Gotthold zum Königlich Sächsischen Hoforgelbauer. In den Folgejahren wurde er zur Begutachtung, Pflege und zu Reparaturen von Silbermannorgeln herangezogen.

Mitte der zwanziger Jahre begann auch der dritte Bruder, Carl Gottlieb, der bisher als Kunsttischler tätig war, Orgeln zu bauen und stellte sein erstes Werk in Somsdorf auf. 1839 erhielt er den Auftrag für den Orgelneubau in der Zwickauer Marienkirche. Daraufhin ließ er sich 1843 in Zwickau nieder. Fortan wurden aus zwei Werkstätten Jehmlich - Orgeln geliefert. Bei größeren anstehenden Aufträgen halfen sich die Brüder aber weiterhin aus. Die Dresdner Linie starb 1861 aus. Johann Gotthold Jehmlichs einziger Sohn Julius Immanuel war bereits 1858 gestorben. Noch Anfang 1861 bat Johann Gotthold Jehmlich das Königliche Haus ihn nach 25-jähriger Dienstzeit als Hoforgelbauer zu entlassen und dafür seinen Neffen Carl Eduard, der bereits einige Zeit im Geschäft seines Onkels tätig war, einzustellen. Er hatte bereits Erfahrungen für die Leitung eines Geschäfts bei seinem Vater in Zwickau gesammelt.

Carl Eduard besaß weithin einen guten Ruf, vor allem, weil er alle Orgeln rein mechanisch baute, wie seine Vorfahren und somit dem Schleifladensystem treu blieb. Gelobt wurden oft seine sorgfältige Arbeit, sowie sein vorzügliches Material, gepaart mit einer fein ausgeglichenen Intonation.

Aber gerade das angehende 19. Jahrhundert, das Zeitalter des Dampfes und der Maschinen, brachte auch im Orgelbau eine Reihe von technischen Verbesserungen und Erneuerungen. Das Wachstum der Städte, Errichtung neuer Kirchengebäude führte zu neuen Absatzmöglichkeiten für den Orgelbau. Der Wandel vom Handwerksbetrieb zur Fabrik galt als eine der wichtigsten, kennzeichnenden Errungenschaften der industriellen Revolution. Die Pneumatik hielt Einzug in viele deutsche Orgelbauwerkstätten. Neu war, dass der Wind bei einer pneumatischen spiel- und registrierbaren Orgel alle Arbeit verrichten musste. Ein Vorzug dieser Orgeln war auch, dass z.B. der Spieltisch an jeder beliebigen Stelle der Orgel oder Orgelempore aufgestellt werden konnte.

Die 80-iger Jahre waren entscheidend für die Firma. Eine bedeutende Rolle spielte dabei die Bekanntschaft mit dem Orgelbaumeister Ernst Seifert aus Köln. Seifert war bekannt als der Erfinder des pneumatischen Röhrensystems. Eine Neuheit, die entscheidend die Entwicklung des deutschen Orgelbaus in den nächsten Jahrzehnten bestimmte. Die Schleiflade galt im Orgelbau als überholt. Auch für Jehmlich hieß es, Neues zu erproben, um mit der Entwicklung im Orgelbau standzuhalten. So schuf im Jahre 1888 Carl Eduard gemeinsam mit seinen Söhnen Emil und Bruno die erste pneumatische Orgel im Königreich Sachsen. Sie wurde in der Kirche zu Röhrsdorf bei Wilsdruff aufgestellt, wo sie heute noch erhalten ist.

Die Werkstatträume auf der Freiberger Str.14 in Dresden-Altstadt waren nicht mehr ausreichend für die neue Auftragslage. 1896 wurde beim Rat der Stadt ein Gesuch zum Bau einer neuen Orgelwerkstatt eingereicht.  Am 1. Oktober 1897 erfolgte bereits der Umzug in die neuen Werkstatträume auf der Großenhainer Straße 28 (jetzt 32). Im gleichen Jahr erfolgte die Auslieferung eine Konzertorgel mit symphonischem Klang für das Vereinshaus Dresden mit 54 Registern auf 3 Manualen und Pedal, erstmals eine große Orgel für eine öffentliche Einrichtung. Im gleichen Jahr vernichtete ein Brand die Wagner-Orgel in der Kreuzkirche. Das Werk weshalb die Jehmlichs einst nach Dresden kamen. Für die neue Orgel in der Dresdner Kreuzkirche erhielten die Gebrüder Jehmlich den Auftrag. Von 1897 bis 1901 entstand eine neue Orgel mit 91 klingenden Registern.

Um die Jahrhundertwende waren die Hauptaufträge die zeitgemäßen Erweiterungen älterer Orgelwerke. Während des 1. Weltkrieges kam es auch im Orgelbau zu größeren Produktions­einschränkungen. Zwischen 1914 und 1919 verließen etwa 30 Orgeln die Dresdner Werkstatt, darunter eine Orgel für den Dresdner Großindustriellen Karl August Lingner nach Bad Tarasp (Schweiz).

Kleinere Orgelbauten, Umbauten und technische Veränderungen bestimmten den Jehmlich - Orgelbau der Nachkriegszeit. Zwischen 1924 und 1936 konnten ca. 24 historische Orgeln überholt werden. Unter der Leitung von Emil und Bruno Jehmlich wurden in der Zeit von 1920 bis 1940 ca. 150 neue Orgelwerke errichtet, darunter die ersten Orgelwerke nach Schweden.

Emil Jehmlichs Söhne Otto und Rudolf übernahmen 1938 die Firmenleitung mit dem großen Umbau der Silbermannorgel in der Dresdner Frauenkirche.Nach erfolgreichen Arbeiten konnte die Orgel 1942 vom Frauenkirchenorganisten Hanns Ander Donath wieder in Dienst genommen werden. 1940 wurde auch die große Orgel in der Dresdner Kreuzkirche umgebaut.

I n den Jahren 1941 bis 1944 gab es nur 25 Aufträge. Im Kriegsjahr 1945 wurden keine Orgeln gebaut.

Ab 1947 begann der Orgelbau in Dresden wieder zu leben, wenn auch nur halb so viel Orgeln wieder gebaut werden konnten wie vor dem Krieg. Seit dieser Zeit wandte sich die Firma wieder der traditionellen Fertigung der Orgeln zu. Man baute wieder Schleifladen und rein mechanische Traktur. Ende der 50-iger Jahre begann ein Orgelexport in die skandinavischen Länder.

Darüber hinaus wurde mit besonderer Sorgfalt die Betreuung, Restaurierung und Überholung wertvoller alter Orgelinstrumente gepflegt. Nach den damaligen Erkenntnissen über die Restaurierung wurden einige Orgeln Gottfried Silbermanns und historische Orgeln anderer Meister restauriert. Aus dem Gesamtwerk der Jehmlichs spricht als wesentliche Tatsache, dass man sich immer wieder, selbst dann, wenn man vorübergehend den Zeitströmungen nachgegeben hatte, auf den klassischen Orgelbau und Klang in der Nachfolge Gottfried Silbermanns besann.

Die Dresdner Kreuzkirche erhielt 1963 ein neues Orgelwerk mit 76 Registern, verteilt auf 4 Manualen und Pedal. Die Disposition schufen Gerhard Paulik und Herbert Collum.

Ende der 60-iger Jahre wurde der Export von Orgeln noch auf Norwegen und die Bundesrepublik Deutschland erweitert. In der Wirkungszeit von Otto und Rudolf Jehmlich konnten rund 450 Orgeln geschaffen werden. Das war eine beachtliche Anzahl.

Von 1964 bis 1971 wurde die Silbermannorgel der Katholischen Hofkirche in Dresden wiederaufgebaut.

1972 kam es zur Verstaatlichung des Betriebes. Mit Horst Jehmlich als Geschäftsführer wurden nun in der 5. Generation Orgeln gebaut. Als neue Exportländer kamen Ungarn, die CSSR, und Bulgarien hinzu. In diese Zeit fiel auch der Orgelneubau für das „Kloster unsere lieben Frauen" in Magdeburg, das Opus 1000, eine viermanualige Orgel mit 63 Registern. Ein weiteres bedeutendes herausragendes Werk, welches Maßstab für weitere Aufträge werden sollte, war die neue Orgel für das Schauspielhaus in Berlin. Ein Werk mit 74 Registern, 4 Manualen und Pedal.

Neben einer Reihe von zahlreichen Neubauten kamen die Pflege und Erhaltung älterer und historischer Orgeln nicht zu kurz. So fand z.B. eine umfangreiche Orgelrestaurierung an der großen Silbermannorgel im Dom zu Freiberg 1983 ihren Abschluss.

Nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten im Jahre 1990 ging die Firma wieder in Privathand über und wurde nun von Horst Jehmlich als Geschäftsinhaber geleitet. Sie ist der älteste Orgelbaubetrieb in Deutschland.

Trotz den geänderten marktwirtschaftlichen Bedingungen konnte der Betrieb sich eine relativ gesicherte Auftragslage erhalten. Neben der Pflege, Erhaltung und Reparatur eigener Orgelwerke stehen Neubauten in klassischer Bauweise weiterhin im Vordergrund. In den 90-iger Jahren wurde die Restaurierung erhaltenswerter historischer Orgeln mit übernommen und nach neuen Erkenntnissen und Richtlinien der Denkmalpflege durchgeführt. Erwähnenswert aus dieser Zeit sind die Oehme - Orgel zu Brand-Erbisdorf, die Silbermannorgeln in Helbigsdorf, Lebusa und die kleine Chororgel im Freiberger Dom.

Die Beschäftigung mit den Meisterwerken aus der Vergangenheit bringt auch vielfältige Anregungen für den zeitgenössischen Orgelbau mit sich. Ein herausragendes Ereignis war der Orgelneubau für den Konzertsaal in der Sumida-Hall 1997 in Tokyo. Eine besondere Herausforderung technisch und organisatorisch, denn bisher wurde noch keine so große Orgel an einen so weit entfernten Ort geliefert. Sie verließ als Opus 1123 die Werkstatt. Ein Konzertinstrument mit 66 Registern auf drei Manualen und Pedal.

Im Jahr 2000 ist es erstmals gelungen eine Orgel mit einem klingenden Register aus Porzellanpfeifen zu bauen. Es ist ein großer Erfolg der Meißner Porzellanmanufaktur in Zusammenarbeit mit der Firma Jehmlich.

2005 konnte die älteste Jehmlich-Orgel in Lauenstein nach dem Brand im Jahre 2000 wieder rekonstruiert werden

Im Jahr 2006 stieg der Schwiegersohn, Ralf Jehmlich, mit in die Geschäftsführung ein. Unter seiner Leitung erfolgte z.B. Entwurf, Planung und Aufstellung der Orgel in Kerville, Fist Presbyterian Church in Texas, USA (50 Register, 3 Manuale und Pedal). In Lodz/Polen wurde eine Orgel mit 19 Registern in die dortige Musikakademie gebaut. 2007 begann die Restaurierung der Michael Engler-Orgel in der Klosterkirche Mariengnade in Grüssau (Krzeszów), Polen. Im gleichen Jahr wurde für die LaLa Port Mall in Yokohama (Japan) ein Orgel-Carrilon mit Pfeifen und Glocken aus Meißner Porzellan hergestellt. Auszugsweise ist noch der Neubau für die Kath. Kirche in Bratislava-Lamač und die „Porzellanorgel“ mit 22 Porzellanpfeifen für die Fa. Opulent State Life Corp. In Taipei (Taiwan) zu erwähnen.

Die Feierlichkeiten zum 200jährigen begannen bereits am 13.06.2008 mit einem wissenschaftlichen Symposium in der Firma und einem Orgelkonzert in der Kreuzkirche mit Kompositionen aus dem Umfeld des Jehmlich-Orgelbaus. Am 28.06.08 fand eine festliche Orgelandacht zum Firmenjubiläum in der Kreuzkirche mit anschließenden Feierlichkeiten in den Werkstatträumen und im Firmengelände satt.

Unter der jetzigen Leitung von Geschäftsführer Ralf Jehmlich liegt neben Neubauten traditionsgemäß eine wesentliche Aufgabe der Firma in der Pflege und Restaurierung wertvoller historischer Orgeln.

 

Bibliographie

Literatur:

A. Schumann, Neu-Wernsdorf oder Neuwarnsdorf, Mechaniker und Orgelbaumeister Gebrüder Gämlich, in: Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungslexikonvon Sachsen, Bd.7, Zwickau 1820, S.163

O.Türke, Die Künstlerfamilie Jehmlich, in: Centralblatt für Instrumentalmusik, Solo- und Chorgesang, 1897, S.605

E. Flade, Die Orgelbauerfamilie Jehmlich in Dresden und Zwickau, in: Zeitschrift für Kirchenmusiker 16,1934, S.2-4

Die Orgelbauerfamilie Jehmlich in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Personenteil 9, Kassel; Basel: Bärenreiter 2003, 2., neubearb. Ausgabe, Spalte 992-995

Weblinks:

jehmlich-orgelbau homepage

wikipedia Jehmlich Orgelbau

Gebrüder Jehmlich, Königl. Sächs. Hoforgelbauer Dresden-N  1910

Jubiläumsschrift 150 Jahre Orgelbau Gebrüder Jehmlich, Orgelbaumeister Dresden : 1808 - 1958

175 Jahre Jehmlich-Orgelbau 1984

185 Jahre Jehmlich Orgelbau 1993

Jubiläum der sächsischen Orgelbaufirma Jehmlich 1998

Jehmlich Orgelbau Dresden GmbH : seit 5 Generationen der Tradition des sächsischen Orgelbaus verbunden 2002

200 Jahre Jehmlich Orgelbau 2008

Orgelbaufirma Jehmlich : Jubiläum in Sachsen 2008

Leben und Werk einer Orgelbauerfamilie : Begegnungen mit Carl Gottlieb Jehmlich und seinen Söhnen 2018

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